Initiative "Weg mit den Berufsverboten", Arbeitsausschuß
(Prof. Dr. N. Paech, E. Spoo, Dr. K. Dammann, H. Bethge)
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Pressemitteilung 3/02, 11. 02. 02
30 Jahre Berufsverbote:
Rehabilitierung und Entschädigung gefordert -
Berufsverbote nach demselben Legitimitätsmuster wie Gruppenverfolgungen in totalitären Staaten - Warnung vor neuerlichem Grundrechtsabbau
Aus Anlaß des 30. Jahrestages des sogenannten "Extremistenerlasses" fand in Hamburg eine gemeinsam von der GEW, Lvbd. Hamburg, und dem Arbeitsausschuß organisierte Konferenz "30 Jahre Berufsverbote mahnen: Kein neuer Grundrechtsabbau!" im überfüllten Curio - Haus statt. Betroffene vom Berufsverbot aus den alten und den neuen Bundesländern, der Justiz der Adenauer - Ära und von Repressionen nach dem Terroranschlag vom 11. 9. 01 diskutierten mit Juristen, Vertretern von GEW, Bund demokratischer Wissenschaftler (BdWi), Humanistischer Union, Vereinigung demokratischer Juristen (VdJ), der Gesellschaft für Bürger- und Menchenrechte (GBM), Mitgliedern und Funktionären von SPD, GAL, DKP und PDS die aktuelle Entwicklung zum weiteren Abbau von Grundrechten im Lichte der Erfahrungen der 30 Jahre Berufsverbote.
Dabei mahnte der Berliner Publizist Eckart Spoo, daß auch in Zeiten außenpolitisch zugespitzter Situation - wie jetzt im Krieg gegen Afghanistan und nach dem Anschlag vom 11. 9. - die Meinungsäußerungsfreiheit bestehen bleiben müsse. Der Hamburger Lehrer Horst Bethge machte darauf aufmerksam, daß die absichtsvolle Vermischung von Terrorismus, Gewalt, Extremismus und Links den Nährboden für massenhafte Grundrechtsverletzungen abgäbe. Wieder einmal wird der Schutz der Demokratie und der Sicherheit dem Verfassungsschutz, den Geheimdiensten anvertraut, die sich gerade in den Berufsverboteverfahren eigentlich gründlich diskreditiert hätten. Der Anwalt Klaus Dammann, der zahlreiche Berufsverbotsbetroffene vertrat und vertritt, forderte die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es ist immerhin festgestellt worden, daß die Berufsverbotepolitik diese Konvention verletzt habe. Die Konsequenzen daraus sind von der Politik nie gezogen worden. Ilona Wilhelm (2. Vorsitzende der GEW Hamburg) bezeichnete es als reale Gefahr, daß in Zeiten zugespitzter gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen verschärft zum Mittel der Disziplinierungen gegriffen würde, um kritische Stimmen zu unterdrücken. Daß der Radikalenerlaß bis heute nicht aufgehob en worden ist, ist vor diesem Hintergrund besorgniserregend. Dasselbe betonte Hans- Peter de Lorent (GAL), so daß man sich gemeinsam dagegen wehren müßte, daß Rechtspopulisten, wie z. B. Innensenator Schill in Hamburg, aus einer liberalen Stadt wieder eine des Grundrechtsabbaus machen. Horst Peter (Kassel, SPD) machte warnend darauf aufmerksam, daß die eingeforderte Kategorie des jederzeitigen Eintretens für die FDGO heute um die eingeforderte Kategorie der "uneingeschränkten Solidarität mit den USA" ergänzt werden solle. Jürgen Kühling (Humanistische Union, Richter a . D. am Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht) mahnte, das Vertrauen in Rationalität und Aufklärung der Bürger nicht aufzugeben. Das Legitimitätsmuster der Berufsverbotepolitik, der Eingriff in Grundrechte, sei dasselbe wie das bei Gruppenverfolgungen in totalitären Staaten. Damals wie heute werde ein Bedrohungsszenario aufgebaut: Damals sei es das antikommunistische Ressentiment gewesen, heute das des Terrorismus. Prof. Martin Kutscha (Berlin) analysierte die sogenannten Schilyschen Sicherheitsgesetze als massiven Abbau der Freiheits- und Menschenrechtsversprechen des Grundgesetzes. Eva - Maria Stange (1. GEW - Vorsitzende) erläuterte die Forderung der GEW nach Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen. Anstatt neue Repressionen zu starten, sollte eine andere politische Bildung forciert werden von der sonst so viel im Zusammenhang mit Zivilcourage geredet wird. Wolfgang Gehrcke (PDS MdB) berichtete, daß die PDS - Fraktion den Entwurf eines Berufsverbotebereinigungsgesetzes zur Rehabilitation und Wiedergutmachung in den Bundestag eingebracht hat. Nach seiner Auffassung steht die SPD jetzt vor der Frage, ob sie der Traditionlinie des "Law and Order" folgen wolle oder der von Willy Brandt "mehr Demokratie zu wagen". Die Bundesrepublik steht wieder einmal vor der Frage, ob die Verfassungswirklichkeit der Verfassung angepaßt wird oder ob der umgekehrte Prozeß weitergeht.
In den verschiedenen Diskussionen auf der Konferenz und in den Arbeitsgruppen wurde immer wieder die Notwendigkeit betont, die Geschichte der Berufsverbote und der Repressionen im "kalten Krieg" und in der Zeit danach wirlich politisch, historisch, juristisch und moralisch aufzuarbeiten. Dazu gehört auch, die Folgen der Verunsicherung über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus, die subjektive Verarbeitung durch die Betroffenen selber wie die Verquickung und Verflechtung mit der Tätigkeit der Stasi vor 1989 im Osten und der "Abwicklung" nach 1989. Aber auch die Arbeit der Geheimdienste und des Verfassungsschutzes in der Zeit des kalten Krieges und danach bis heute hin , die Unvereinbarkeitsbeschlüsse in den Gewerkschaften und das Kooperationsverbot in der SPD gehörten dazu.
Zum Abschluß wurde verabredet:
- Jetzt öffentlich verstärkt gemeinsam zu fordern: Rehabilitation und Wiedergutmachung für die Betroffenen, Entfernung der Dossiers des Verfassungsschutzes aus allen Akten, ersatzlose Aufhebnung der Berufsverbote - Verfahrensregelungen, Beendigung der Regelanfrage (vor allem in Bayern und für Ausländer), der Rasterfahndung und der Anhörungen, Auflösung nicht Särkung des Verfassungsschutzes.
- Dies auch von den einzelnen Landesregierungen zu fordern.
- Alle Berufsverboteprozesse durch Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland zu begleiten, insbesondere die sechs anhängigen Verfahren vor dem Europäischen Menchenrechtsgerichtshof in Straßburg.
- An die Gewerkschaften heranzutreten, mit für die Respektierung der Enstcheidung des EMRG in Straßburg Sorge zu tragen, auch von sich aus die Rehabilitierung und Entschädigung zu fordern (wie die GEW), die Meinungsäußerungsfreiheit nach dem 11. 9. offensiv zu verteidigen, die Sichrheitsgesetze abzulehnen und wieder bei der IAO (ILO) tätig zu werden.
- Ein "Netzwerk demokratisch gesinnter Personen, Gruppen und Organisationen" zu entwickeln und zu stärken, daß für diese Diskussionen und Aktionen eine Plattform bietet.
- Dafür gilt o.g. Kontaktadresse und im Internet die Homepage www.berufsverbote.de.
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