Berufsverbote - noch lange kein "beerdigtes" Thema

Kasseler Konferenz: Berufsverbote sind keine historisch überholten

Repressionen - Gegen die Disziplinierung der Demokratie

 

 

Ein bundesweites Treffen der Initiativgruppe „40 Jahre Radikalenerlass“ am 13.11.2014 in der Buch-Oase in Kassel machte deutlich: Die Berufsverbote sind kein Thema, das zwischenzeitlich auf Bundes- und Landesebene „beerdigt“ wurde. Die Auswirkungen wirken vielmehr weiter. Textbausteine zur Vorbereitung neuer Maßnahmen liegen durch die anhaltende Schnüffelpraxis des „Verfassungsschutzes“ abrufbereit in den Ministerien.

 

In einer lebendig diskutierten Analyse der „Weiterentwicklung“ der Berufsverbote wurde festgestellt, dass die Berufsverbote aus dem politischen Wissen der Generation der 30 Jahre alten Zeitgenossen und bei den noch jüngeren in Schulen und Universitäten, Büros und Fabriken weitgehend eliminiert wurden. Umgekehrt zeigt sich bei den vom Berufsverbot Betroffenen, die jetzt in den Rentenstatus einsteigen,  dass ihre soziale Absicherung vielfach desolat ist. Die materielle Entwurzelung kritischer Demokraten – ein Ziel der Berufsverbote – zeigt sich jetzt schmerzhaft auf den Rentenbescheiden.

 

Gegen allen Behauptungen, dass die Berufsverbote-Praxis aufgehoben sei, wurde auf die „Selbstauskünfte“ verwiesen, mit denen etwa in Bayern Bewerber für den öffentlichen Dienst, automatisch dem „Verfassungsschutz“ mitteilen müssen, in welchen Organisationen sie Mitglied sind oder sich engagieren. Ironisch wurde bei dem Treffen angemerkt, dass die Teilnahme an einer Wahl zu den Grundtugenden der Demokratie zähle, mit der man zugleich seine Sympathie für eine Partei ausdrücke. Da in Bayern die Partei Die Linke wie auch die DKP auf dem Fragebogen zu den inkriminierten Organisationen zählen, würde die wahrheitsgemäße Auskunft über die Wahl dieser Parteien zugleich bedeuten, dass die Wahl ihren geheimen Charakter verliere.

 

Zwei Mitglieder berichteten von ihrem momentanen Rechtsstreit gegen die intensive Observation durch den „Verfassungsschutz“ und die daraus resultierenden Vorwürfe So folgerten die Dienste in Hessen und Baden-Württemberg aus der Teilnahme an antifaschistischen Aktivitäten, dass das Engagement mit dem Stempel der „Verfassungsfeindlichkeit“ belegt werden müsse. Die Feststellung, dass es eine Kontinuität bei den Eliten aus der Nazi-Zeit in die Bundesrepublik hinein gebe, wurde als „kommunistisch begründeter Antifaschismus“ gewertet, sei also unzulässig.

 

Die Darstellung dieser Absurditäten wurde ergänzt durch prozessrechtliche Tricks des „Verfassungsschutzes“. So wurde mit „Sperrerklärungen“ gearbeitet. Damit kann eine Behörde erklären, dass Akten nicht bekannt werden dürfen, wenn dadurch vermeintlich dem Wohl Deutschlands oder eines Bundeslandes Nachteile entstehen könnten. Diese Form der Rechtsfindung offenbart sich in Akten oder Dokumenten allerdings durch Schwärzungen, die unterbrochen sind durch die Aufreihung und Bewertung „verdächtiger“ Aktivitäten. Die Schwärzungen seien nötig zum Schutz der beobachtenden Organe. Nicht einmal den Rechtsanwälten werde die Ursprungsversion zur Verfügung gestellt. Schließlich müssen die Richter „die Wahrheit“ aus den ausgewählten Quellen rekonstruieren, die der „Verfassungsschutz“ ihnen vorliegt.

 

Wie aktuell gegen diese Politik vorgegangen werden kann, belegte die Initiative mit ihrem herausragenden Engagement und dem der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Hannover. Dort stehen die Berufsverbote auf der Tagesordnung des niedersächsischen Landtages. Es geht um Aufarbeitung und Rehabilitierung. Andere Bundesländer und der Bundestag tun sich da schwerer. Winfried Kretschmann, ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) und nun grüner Ministerpräsident in Stuttgart, fasst das Thema „Berufsverbot“ nicht einmal mit spitzen Fingern an. Der Petitionsausschuss des Bundestages nimmt die Petitionen zwar an, behandelt sie auch – um sie dann in der Form antikommunistischer Textbausteine abzulehnen.

 

Der beste Schutz vor weiteren Berufsverboten und deren Vorbereitung sei die Verbindung zur demokratischen Öffentlichkeit. Um „Wissenslücken“ auszugleichen, müsse der Weg in die Schulen und Universitäten, zu den Gewerkschaften und demokratischen Organisationen eingeschlagen werden. Zeitzeugengespräche haben sich schon vielfach gegen Wissens- und Demokratiedefizite als außerordentlich sinnvoll erwiesen. In Vorbereitung ist eine Ausstellung, die im kommenden Jahr bundesweit angeboten wird.

 

 

Obiger Bericht von Uwe Koopmann - mit Fotos von Bettina Ohnesorge - erschien auch in der DKP-Wochenzeitung Unsere Zeit 48/2014 (28.11.2014) auf S. 4 (pdf) und - mit einem Auszug aus einem „Verfassungsschutz“-Dossier - auf der Website der DKP Rheinland-Westfalen (pdf).